MANV 10: der „kleinste“ Massenanfall von Verletzten
Unfall mit einem Linienbus und drei Autos, ein Toter, Verletzte und Schwerverletzte sowie verstörte leichter Leichtverletzte oder unverletzt gebliebene Fahrgäste des Busses: In dieses Szenario wurden Einsatzkräfte von Feuerwehr und Deutschem Roten Kreuz (DRK) bei einer Übung nahe Lauchringen versetzt. Einen „MANV 10“, Massenanfall von bis zu zehn schwer verletzten Menschen, galt es in der Zusammenarbeit von Feuerwehr und Rotem Kreuz zu üben. Der Schauplatz: ein neuer Abschnitt der Bundesstraße B314, der zum Zeitpunkt der Einsatzübung noch nicht für den Verkehr freigegeben war.
30 Einsatzkräfte wurden vom Roten Kreuz eingesetzt, darunter ein leitender Notarzt und zwei Notärzte. Zuerst trafen zwei ehrenamtliche Einsatzkräfte als „Helfer vor Ort“ ein. „15 bis 20 Verletzte, darunter fünf Schwerverletzte“ funkten die beiden Sanitäter als Lageeinschätzung an die Rettungsleitstelle. Dann jagten Schlag auf Schlag Einsatzfahrzeuge von Feuerwehr und Rotem Kreuz mit Blaulicht und Martinshorn herbei und wurden in einigem Abstand zur Unfallstelle geparkt. Eine hohe und steile Böschung zu beiden Seiten der Bundesstraße machte die Koordination der vielen Einsatzfahrzeuge zur Herausforderung.
Ein Kleinwagen lag auf dem Dach, ein weiterer war in den breiten Seiteneinstieg des Linienbusses gekracht, und ein dritter PKW war frontal auf den Bus geprallt. Für den Fahrer dieses Wagens, dargestellt von einem „Phantom“, einer lebensgroßen Übungspuppe für Erste-Hilfe-Maßnahmen, war offensichtlich keine Hilfe mehr möglich. Der leitende Notarzt stellte den Tod fest. Als das leblose „Unfallopfer“ später von der Feuerwehr aus dem Fahrzeugwrack geborgen worden war, wurde es zu einem Fall für den Bestatter erklärt.
Inzwischen gingen die Rettungsarbeiten an den beiden anderen am Unfall beteiligten Autos und am Linienbus weiter. Bis von der Feuerwehr ein Zugang zum demolierten Linienbus geschaffen worden war, waren vom Leitenden Notarzt die Verletzten in den PKWs gesichtet und den Notärzten zugeteilt worden. Der Organisatorische Leiter Rettungsdienst stellte die Besatzungen von Rettungstransportwagen mit Fahrtragen und Notfallausrüstungen für die eingeklemmten Patienten der Kategorien „Gelb“ und „Rot“ bereit.
Kategorie „Rot“ signalisiert bei der Notfallrettung sofortige Behandlungsbedürftigkeit, „Gelb“ eine dringende. Dazu zählen immerhin Schädel- und Bauchverletzungen sowie offene Brüche. Auch Patienten der Kategorie „Grün“ waren zu verzeichnen; sie waren unter den Fahrgästen des Linienbusses. Die Patienten wurden auf den VAK (Verletzten-Anhängekarten) mit laufenden Nummern registriert, die ihnen auch auf die Stirn geschrieben wurden. Das erleichterte die Arbeit der Rettungskräfte. Als Sammelstelle und zum Aufwärmen für die Patienten der Kategorie „Grün“ sollte ein beheizbares Zelt dienen. Dessen Aufbau ging allerdings nicht schnell genug. Frierende wurden deshalb in Mannschaftstransportwagen mit Standheizung untergebracht.
Da der hauptamtliche Rettungsdienst des DRK-Kreisverbands Waldshut Reservefahrzeuge nur begrenzt vorhalten kann, wurden für die Übung nur ein Notarzteinsatzfahrzeug, ein Rettungstransportwagen und ein Krankentransportwagen zur Verfügung gestellt. Das Rettungsdienstpersonal für diese Einsatzfahrzeuge wurde von Auszubildenden des zweiten und dritten Lehrjahres gestellt. Auszubildende des ersten Lehrjahres wirkten als Darsteller von Unfallopfern mit. Weitere neun Einsatzfahrzeuge wurden vom DRK-Kreisverband Waldshut als nationaler Hilfsorganisation gestellt, deren Besatzungen aus verschiedenen DRK-Ortsvereinen ehrenamtlich im Einsatz sind.
DRK-Kreisbereitschaftsleiter Hans-Werner Schlett war bei der Übung Organisatorischer Leiter Rettungsdienst, Dr. Axel Frank vom Klinikum Waldshut Leitender Notarzt. Beide Führungskräfte informierten gelegentlich mit einem Mikrofon die zahlreichen Zuschauer, die auf einer Fußgängerbrücke über der Straße oder von der hohen Böschung aus das Geschehen verfolgten.
Die Abenddämmerung tauchte den Schauplatz der Übung in verklärendes Licht, als die Akteure Geräte und Einsatzmaterial wieder in ihren Fahrzeugen verstauten. Doch das milde Licht konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Thema der Übung ein sehr ernstes war: Massenanfall von Verletzten, wie er bei Unfällen mit Bussen und Zügen, bei Flugzeugabstürzen und Terroranschlägen vorkommt. Hans-Werner Schlett zog entsprechend Bilanz: „Da bei uns der MANV 10 am häufigsten erwartet werden kann, war es angemessen, in diesem Rahmen zu üben. Achtung: Die Übung deckt den kleinsten MANV ab. In unserem Landkreis Waldshut müssen wir nach Vorgaben vom Land Baden-Württemberg einen MANV 50 abwickeln können. Dafür üben wir mit Akteuren aus dem ganzen Landkreis.“ Es war eine gelungene und wichtige Übung mit einer strukturierten, effizienten und disziplinierten Zusammenarbeit aller beteiligten Führungs- und Einsatzkräfte von Feuerwehr und DRK-Kreisverband Waldshut. Selbstverständlich haben die drei DRK-Beobachter erforderliche Verbesserungen erfasst, die in die künftigen Ausbildungen mit einfließen sollen